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25 Jahre Aufstieg des SV 03 Tübingen

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Alles vorbei? Der SV 03 verliert das Spitzenspiel in München – am drittletzten Spieltag. Die Meisterschaft scheint verspielt.
Am vorletzten Spieltag fällt ein Wurf mit der Schlusssirene rein. Zu Ungunsten der Tübinger. Dann das Spiel in Karlsruhe. Am 11. April 1992. Der Rest ist Tübinger Basketball-Geschichte.

Die Protagonisten erinnern sich.


Betrachtungsdauer: 20 Minuten

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Schon in der Saison 1990/1991 kratzt Tübingen am Aufstieg, muss aber Trier den Vortritt lassen. Die Hauptrunde in der 2. Basketball-Bundesliga Süd in der darauffolgenden Saison verspricht Spannung: Baunach, Lotus München und der SV 03 Tübingen gehen mit 30:14-Punkten in die zehn Spiele der Meisterrunde. Am Ende kann nur ein Team aufsteigen. 

Aus dem Dreikampf wird in der Runde der sechs besten Teams ein Zweikampf: Lotus München gegen den SV 03 Tübingen. Baunach verliert schnell seine Meisterchance, spielt am Ende aber eine entscheidende Rolle.
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28. März 1992: Zahlreiche mitgereiste Tübinger Fans singen: "Zweite Liga, nie mehr, nie mehr!" Zwölf Minuten vor Schluss führt Tübingen mit 60:53. Der SV 03 wäre mit einem Sieg in München Meister. Bei einer Niederlage mit bis zu sieben Punkten bleibt er Tabellenführer.

Tübingen spielt stark. Der Aufstieg ist zum Greifen nah. Bis Münchens Ivica Maric aufdreht und 24 Punkte in den letzten zehn Minuten erzielt. Der SV 03 ist geschlagen. Die Tabellenführung ist weg. Und wohl auch die Meisterschaft.

Tübingens Trainer Georg Kämpf (im Bild) hat nach dem Spiel "das Gesicht weiß wie die Wände der Morawitzkyhalle", berichtet TAGBLATT-Redakteur Hartmut Bihlmayer aus München. Aus dem Aufstiegs- ist ein Alptraum geworden.
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4. April 1992: Noch stehen zwei Saisonspiele aus. Tübingen empfängt Baunach in der Uhlandhalle, gewinnt 89:76. Center Robert Reisenbüchler (21 Punkte) spielt stark.

1330 Zuschauer gehen trotzdem frustriert aus der Uhlandhalle. Über den "Bayrischen Rundfunk" hört Stefan Steck, Sohn des damaligen Abteilungsleiters Manfred: Lotus München gewinnt gegen den FC Bayern mit 89:88. Pete Miller trifft für Lotus mit der Schlusssirene.

Die Tübinger bleiben Zweiter. "Jetzt war der Glanz wohl für die Katz", titelt daraufhin das TAGBLATT. Einer gibt nicht auf: "Ich glaube, dass wir noch eine Fünfzig-Fünfzig-Chance haben", sagt Kapitän Thomas Unger damals. Warum er vor dem Spiel in Karlsruhe so optimistisch geblieben ist?
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11. April 1992: Dass der Kapitän seine Dröhnung bekommt, liegt auch an den Ereignissen in Baunach. Dort liegt Tübingens Konkurrent Lotus schon zur Pause mit zwölf Punkten zurück und verliert am Ende 65:70. Es zeichnet sich früh ab: Ein Sieg in Karlsruhe – und der SV 03 ist Meister! 

Lange führt Tübingen vor 800 Zuschauern komfortabel. Zur Halbzeit mit 37:23. Doch 29 Sekunden vor Schluss gleicht Karlsruhe aus: 60:60! Auszeit SV 03. Adam Reisewitz und Robert Reisenbüchler sitzen mit fünf Fouls schon draußen. Eine Verlängerung? Kein Tübinger Vorteil.

Das Ergebnis einer ganzen Saison liegt beim letzten Tübinger Angriff in den Händen eines 22-Jährigen. Dem besten Werfer im Team.
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Kapitän Unger will nach dem Spiel in Karlsruhe eigentlich direkt in den Urlaub fahren. Der VW-Bus ist voll gepackt – und muss anstatt an den Comer See zurück nach Tübingen. Genauer gesagt in die Lustnauer "Rose", ins Stammlokal der 92er-Meistermannschaft. Dieser Titel muss gefeiert werden!

100 Liter Freibier gehen für die Schützenhilfe nach Baunach. Doch in Tübingen gibt's noch genug: An die Szenen nach dem Spiel, die wilde Partynacht – und so manch anderen besonderen Abend – gibt es auch 25 Jahre danach noch beste Kenntnisse. 
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Martin Schall und Adam Reisewitz erklären, welchen Einfluss "Schorsch" Kämpf auf das Team gehabt hat.
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Trainer Kämpf stellt den 2,05 Meter großen Adam Reisewitz auf den Flügel. Ein kluger Schachzug. Den Tübingern gelingt es in der Saison 1991/92, ohne Amerikaner und dennoch erfolgreich zu spielen. Heute unvorstellbar – und auch schon damals ein Novum. Den Ausländer-Platz teilen sich Roman Opsitaru und Robert Reisenbüchler.

Ebenfalls einmalig: Viele einheimische Spieler sind dabei, die ein besonderes Verhältnis zum Klub haben. Die Aufstiegshelden verraten weitere Gründe ihres Erfolges.
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Thomas Unger: Der damalige Kapitän ist noch heute Abteilungsleiter des SV 03 Tübingen und ein Gesicht des Tübinger Basketballs. Bei den Heimspielen der Walter Tigers nimmt er an der Ersatzbank Platz. Sein Know-how ist auch bei Cheftrainer Tyron McCoy gefragt. Unter dessen Vorgänger Igor Perovic war Unger auch Co-Trainer. Nach einem Radunfall sitzt er im Rollstuhl. Beruflich ist der einstige Spielmacher Konrektor an der Kaufmännischen Schule in Nagold.

Robert Reisenbüchler: Bekam in neun von zehn Spielen in der Aufstiegsrunde den Vorzug vor Roman Opsitaru und war Tübinger Topscorer. Ging dann nach Bamberg und spielte später mit den Schweden aus Luleå (EuroCup 1998) und Radio Korasidi Athen (KoracCup 2000) sogar im internationalen Wettbewerb. Er machte dabei 3,9 und 2,6 Punkte im Schnitt. Betreibt heute mit seiner Frau eine Zahnarztpraxis in Rumänien und feiert im kommenden Januar seinen 50. Geburtstag.

Kurt Arndt: Damals der Manager des Teams. Und er ist der Stadt und dem Sport treu geblieben: Arndt arbeitet am Institut für Sportwissenschaften und hat sein Büro in der Tübinger WIlhelmstrasse.

Richard Behnisch: Der Diplom-Chemiker arbeitet mittlerweile in Luzern (Schweiz) bei einer Firma, die sich auf die Zusammenfassungen von Wirtschaftsbüchern und Klassikern der Weltliteratur spezialisiert hat. Und so Manager und Führungskräfte erfolgreich durch die Informationsflut leiten will. Schon während der Meisterschaft 1992 leitete er die Chemie-Redaktion des Thieme-Verlages. 

Adam Reisewitz: Der Zahntechnikermeister ist Geschäftsführer, lebt und arbeitet in Tübingen. Seine Dauerkarte bei den Tigers führt ihn bei jedem Heimspiel in die erste Reihe. Zwischen den beiden Phasen, in denen er selbst das Tübinger Trikot getragen hat, spielte er auch für Trier. Hatte während seiner ersten Tübinger Zeit ein Angebot vom damaligen Topklub Leverkusen und wurde auch von Nationaltrainer Svetislav Pesic beobachtet. Doch eine Knieverletzung verhinderte den ganz großen Durchbruch.

Matthias Vohrer: Er führte 1983 als 17-Jähriger schon die deutsche Kadetten-Nationalmannschaft bei der Heim-EM als Topscorer (13,1 Punkte) auf den dritten Platz. 1984 war Vohrer mit Größen wie Michael Koch, Kai Nürnberger oder Stephan Baeck auch bei der Junioren-EM dabei und erzielte in Schweden 8,7 Punkte pro Partie. Heute konstruiert für eine Reutlinger Firma Lagertechnikfahrzeuge im Schmalgang- und Hochregalbereich.

Jens Schattner: Wurde in Tübingen zum Diplom-Volkswirt. 1998 beendete er sein Studium. Mittlerweile ist er bei einem Finanzdienstleiter in Frankfurt hängengeblieben. In der Main-Metropole ist er Spezialist für die Kapitalmarkt-Kommunikation. Das Sprachtalent spricht Englisch, Französisch und Italiensch fließend. Im kommenden Jahr wird er 47 Jahre alt.

Roman Opsitaru: Er war zum Zeitpunkt des Aufstieges schon 35 und der Oldie im Team. Als rumänischer Nationalspieler hatte er von Steaua Bukarest viel Erfahrung mitgebracht: 1985 erzielte er für Rumänien bei der EM in Deutschland 11,9 Punkte pro Partie – und spielte dabei auch gegen spätere NBA-Stars wie Dražen Petrović oder Arvydas Sabonis, die das Turnier prägten. Tübingen konnte Opsitaru nach dem Aufstieg nicht mehr verlassen. 1996 fand er die Liebe zum Golfsport und ist heute Golflehrer beim Golfclub Kressbach. Wie der damalige Manager Kurt Arndt ist auch Opsitaru am Tübinger Institut der Sportwissenschaften angestellt.

Philipp Janovsky: Hätte damals den Namen des "Kampfschweins" verdient gehabt. Denn "Pille" Janovsky war immer mit Leib und Seele dabei – auch noch später als Trainer beim SV 03 Tübingen. Er arbeitet als Abteilungsleiter bei einem führenden Technologie- und Dienstleistungsunternehmen. Von 2013 bis 2016 baute er im rumänischen Cluj ein Werk auf und hatte in dieser Zeit auch Kontakt mit dem dort lebenden ehemaligen SV 03-Mitspieler Robert Reisenbüchler.

Klaus Fischer: War im Aufstiegsjahr Teil der legendären Kelternstraßen-WG mit Adam Reisewitz und Matthias Vohrer. Bis zum Sommer 2015 trainierte der einstige Spielmacher noch die Basketballer des TV Rottenburg. Heute ist er Lehrer an der Kaufmännischen Schule in Nagold – und trifft dort auf seinen ehemaligen Mannschaftskameraden Thomas Unger.

Volker Zürn: Auch er ist den Tübinger Basketballern verbunden geblieben und arbeitet nach wie vor für den Verein, beispielsweise fördert er als Leiter von Basketball-AGs den Nachwuchs. In seiner Freizeit steht er auch mal gerne in Lustnau auf dem Tennisplatz. Kann's aber auch noch mit dem Basketball: Wie 2013, als er den SV 03 bei den Deutschen Meisterschaften der über 40-Jährigen als Topscorer auf den vierten Platz führte.

Martin Schall: Der Mann, der den entscheidenden Wurf versenkte. Er kommt aus einer sportbegeisterten Familie, Schwester Elke stand 2005 auf Platz 29 der Tischtennis-Weltrangliste. Heute ist Martin Schall Konrektor der Geschwister-Scholl-Schule, Partnerschule der Walter Tigers. Dort fördert er große Talente wie Junioren-Nationalspieler Matti Sorgius oder den aktuellen Tübinger Bundesliga-Spieler Jeferson Hiller. Schall steht so in engem Kontakt zu den Tübinger Tigers.

Georg Kämpf: Kam als Nationalspieler nach Tübingen. Für die DBB-Auswahl hatte er zwar nur wenige Einsätze, doch diese Erfahrung war goldwert. 1996 führte er die deutsche Junioren-Nationalmannschaft als Trainer zur EM nach Frankreich. Sein Spieler damals: Dirk Nowitzki. Kämpf gilt in seiner Heimatstadt Bayreuth als Legende, Tübingen führte er als Trainer 1992 und 2004 in die Basketball-Bundesliga. Heute ist der 61-Jährige in der Politik aktiv.

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In der ersten Liga fällt Schall mit einem Ermüdungsbruch erstmal aus. Die Gänsehaut kehrt am 23. Oktober 1992 zurück, als Philipp Janovsky auf seinen Schultern Steven Key durch die Uhlandhalle trägt: Das 82:67 gegen Gießen ist der erste Sieg der Tübinger Bundesliga-Geschichte.

Drei weitere kommen hinzu. Darunter der Heimsieg gegen den Meister Leverkusen. Adam Reisewitz macht damals 22 Punkte. Tübingen gewinnt auch gegen Berlin. Viele Spiele gehen aber knapp verloren. Das Bundesliga-Abenteuer endet mit vier Siegen und der Zweitliga-Rückkehr.
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Nach dem Abstieg aus der ersten Bundesliga brauchen die Tübinger einige Zeit, um sportlich wieder an die alte Zeit anzuknüpfen. 2001 gelingt mit dem damaligen Spielmacher DC Collins die Bundesliga-Rückkehr. Doch auch als WiredMinds bleibt das Team nur ein Jahr oben.

2004 dann der dritte Aufstieg: Brian Jones führt das Team nach oben – und Georg Kämpf steigt wieder mit Tübingen auf. Wie 1992. Seither spielen die Walter Tigers Tübingen ununterbrochen in der höchsten deutschen Spielklasse. Doch nur die Helden von 1992 können von sich behaupten, den Klub als erste Spieler nach oben geführt zu haben.


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Text, Videos, Umsetzung: Moritz Hagemann

Bilder: Klaus Franke, Helmut Maier, Ulrich Metz, Markus Ulmer

tagblatt.de/sport
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Beachten Sie auch die Sonderseite im Print-Produkt vom 11. April 2017. Weiterverwendung von Inhalten nur mit ausdrücklicher Genehmigung!
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"Manchmal träume ich von diesem Spielzug. In der Auszeit haben wir das genau besprochen, ich passe den Ball zu Martin Schall. Er war unser bester Werfer. Wir haben das im Training hundert Mal geübt, da hat es hundert Mal funktioniert. Ein freier Wurf, aber den muss er halt auch erstmal machen. Wenn er nicht trifft, steigen wir nicht auf. Das muss man sich mal vorstellen."
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 "In den letzten Minuten hab' ich immer selbst gespielt. Bei meinen Einwechslungen hat die Halle immer 'jetzt geht's los!' gesungen (lacht). Ich war halt ein guter Freiwerfer, das war in der Crunchtime wichtig. In der Aufstiegssaion gingen 36 Freiwürfe hintereinander rein. Aber da war ich schon ein alter Mann. Am Tag nach dem Spiel bin ich immer wieder in ein Spaßbad nach Heilbronn gefahren, lag im Whirlpool und war halb tot. Ich hab' ja auch nicht mehr mittrainiert."
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"Das hing alles am seidenen Faden. Ausgerechnet in dem Jahr hatte die Liga ja die Ausländer-Regel geändert. Es durfte entweder Roman Opsitaru oder Robert Reisenbüchler spielen. Aber nie beide. Wir hatten keinen Amerikaner, deshalb waren wir schon ein Außenseiter. Der Aufstieg war überraschend, auch wenn wir am Ende den Druck hatten. Die Erleichterung war dann schon riesig, da ist vieles abgefallen. Ich kann auch mich gar nicht mehr erinnern, was danach abgelaufen ist."
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"Ich hab' noch sehr viele Freunde dort und einen guten Kontakt, hänge sehr an Tübingen. Unser Aufstieg damals war ein wichtiger Meilenstein für den Verein. Auch, weil er einfach eine Nummer zu groß war für den Verein. Da hat man gesehen, an was es im Umfeld und an den Strukturen noch fehlt. Ein Vergleich zu heute fällt schwer, denn heute geht es bei den Mannschaften ja zu wie im Taubenschlag, die Spieler kommen und gehen. Man kann kaum langfristig planen."
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"Ich bin ja als Stadtrat aktiv, das reicht mir momentan. Im Basketball müsste es schon etwas sein, was mich richtig interessiert. Dann würde ich an meinen Schrank gehen, hole mir den Ordner raus und kann ein Team trainieren. Das ist wie Fahrradfahren, das verlernt man nicht."

Auszug aus den Trainer-Stationen:
1991 - 1993 SV 03 Tübingen
1998 - 2002 BBC Bayreuth
2003 - 2004 WiredMinds Tübingen
2005 - 2009 FC Bayern München
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