BasketballEin Drama in drei AktenErster Tübinger Bundesliga-Aufstieg
Am vorletzten Spieltag fällt ein Wurf mit der Schlusssirene rein. Zu Ungunsten der Tübinger. Dann das Spiel in Karlsruhe. Am 11. April 1992. Der Rest ist Tübinger Basketball-Geschichte.
Die Protagonisten erinnern sich.
Betrachtungsdauer: 20 Minuten
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Saison 1991/1992Die Ausgangslage
Aus dem Dreikampf wird in der Runde der sechs besten Teams ein Zweikampf: Lotus München gegen den SV 03 Tübingen. Baunach verliert schnell seine Meisterchance, spielt am Ende aber eine entscheidende Rolle.
Der erste AktAlles scheint verlorenLotus München - SV 03 Tübingen 87:76 (37:37)
Tübingen spielt stark. Der Aufstieg ist zum Greifen nah. Bis Münchens Ivica Maric aufdreht und 24 Punkte in den letzten zehn Minuten erzielt. Der SV 03 ist geschlagen. Die Tabellenführung ist weg. Und wohl auch die Meisterschaft.
Tübingens Trainer Georg Kämpf (im Bild) hat nach dem Spiel "das Gesicht weiß wie die Wände der Morawitzkyhalle", berichtet TAGBLATT-Redakteur Hartmut Bihlmayer aus München. Aus dem Aufstiegs- ist ein Alptraum geworden.
Der zweite AktSchock des letzten WurfesSV 03 Tübingen - FC Baunach 89:76 (41:39)
1330 Zuschauer gehen trotzdem frustriert aus der Uhlandhalle. Über den "Bayrischen Rundfunk" hört Stefan Steck, Sohn des damaligen Abteilungsleiters Manfred: Lotus München gewinnt gegen den FC Bayern mit 89:88. Pete Miller trifft für Lotus mit der Schlusssirene.
Die Tübinger bleiben Zweiter. "Jetzt war der Glanz wohl für die Katz", titelt daraufhin das TAGBLATT. Einer gibt nicht auf: "Ich glaube, dass wir noch eine Fünfzig-Fünfzig-Chance haben", sagt Kapitän Thomas Unger damals. Warum er vor dem Spiel in Karlsruhe so optimistisch geblieben ist?
Der dritte AktHöhepunkt in KarlsruhePost-SV Karlsruhe - SV 03 Tübingen 60:62 (23:37)
Lange führt Tübingen vor 800 Zuschauern komfortabel. Zur Halbzeit mit 37:23. Doch 29 Sekunden vor Schluss gleicht Karlsruhe aus: 60:60! Auszeit SV 03. Adam Reisewitz und Robert Reisenbüchler sitzen mit fünf Fouls schon draußen. Eine Verlängerung? Kein Tübinger Vorteil.
Das Ergebnis einer ganzen Saison liegt beim letzten Tübinger Angriff in den Händen eines 22-Jährigen. Dem besten Werfer im Team.
In der Lustnauer "Rose"Die Meisterfeier
100 Liter Freibier gehen für die Schützenhilfe nach Baunach. Doch in Tübingen gibt's noch genug: An die Szenen nach dem Spiel, die wilde Partynacht – und so manch anderen besonderen Abend – gibt es auch 25 Jahre danach noch beste Kenntnisse.
Georg "Schorsch" Kämpf (61)Der Meistertrainer
"Schorsch" Kämpf spricht auch über...
Die Spieler über den Trainer"Einfach ein Fuchs"
Weitere Erfolgsfaktoren
Ebenfalls einmalig: Viele einheimische Spieler sind dabei, die ein besonderes Verhältnis zum Klub haben. Die Aufstiegshelden verraten weitere Gründe ihres Erfolges.
Statistik der Aufstiegsrunde 1992Topscorer Reisenbüchler
Thomas Unger: Der damalige Kapitän ist noch heute Abteilungsleiter des SV 03 Tübingen und ein Gesicht des Tübinger Basketballs. Bei den Heimspielen der Walter Tigers nimmt er an der Ersatzbank Platz. Sein Know-how ist auch bei Cheftrainer Tyron McCoy gefragt. Unter dessen Vorgänger Igor Perovic war Unger auch Co-Trainer. Nach einem Radunfall sitzt er im Rollstuhl. Beruflich ist der einstige Spielmacher Konrektor an der Kaufmännischen Schule in Nagold.
Robert Reisenbüchler: Bekam in neun von zehn Spielen in der Aufstiegsrunde den Vorzug vor Roman Opsitaru und war Tübinger Topscorer. Ging dann nach Bamberg und spielte später mit den Schweden aus Luleå (EuroCup 1998) und Radio Korasidi Athen (KoracCup 2000) sogar im internationalen Wettbewerb. Er machte dabei 3,9 und 2,6 Punkte im Schnitt. Betreibt heute mit seiner Frau eine Zahnarztpraxis in Rumänien und feiert im kommenden Januar seinen 50. Geburtstag.
Kurt Arndt: Damals der Manager des Teams. Und er ist der Stadt und dem Sport treu geblieben: Arndt arbeitet am Institut für Sportwissenschaften und hat sein Büro in der Tübinger WIlhelmstrasse.
Richard Behnisch: Der Diplom-Chemiker arbeitet mittlerweile in Luzern (Schweiz) bei einer Firma,
die sich auf die Zusammenfassungen von Wirtschaftsbüchern und Klassikern der Weltliteratur spezialisiert hat. Und so Manager und Führungskräfte erfolgreich durch die Informationsflut leiten will. Schon während der Meisterschaft 1992 leitete er die Chemie-Redaktion des Thieme-Verlages.
Adam Reisewitz: Der Zahntechnikermeister ist Geschäftsführer, lebt und arbeitet in Tübingen. Seine Dauerkarte bei den Tigers führt ihn bei jedem Heimspiel in die erste Reihe. Zwischen den beiden Phasen, in denen er selbst das Tübinger Trikot getragen hat, spielte er auch für Trier. Hatte während seiner ersten Tübinger Zeit ein Angebot vom damaligen Topklub Leverkusen und wurde auch von Nationaltrainer Svetislav Pesic beobachtet. Doch eine Knieverletzung verhinderte den ganz großen Durchbruch.
Matthias Vohrer: Er führte 1983 als 17-Jähriger schon die deutsche Kadetten-Nationalmannschaft bei der Heim-EM als Topscorer (13,1 Punkte) auf den dritten Platz. 1984 war Vohrer mit Größen wie Michael Koch, Kai Nürnberger oder Stephan Baeck auch bei der Junioren-EM dabei und erzielte in Schweden 8,7 Punkte pro Partie. Heute konstruiert für eine Reutlinger Firma Lagertechnikfahrzeuge im Schmalgang- und Hochregalbereich.
Jens Schattner: Wurde in Tübingen zum Diplom-Volkswirt. 1998 beendete er sein Studium. Mittlerweile ist er bei einem Finanzdienstleiter in Frankfurt hängengeblieben. In der Main-Metropole ist er Spezialist für die Kapitalmarkt-Kommunikation. Das Sprachtalent spricht Englisch, Französisch und Italiensch fließend. Im kommenden Jahr wird er 47 Jahre alt.
Roman Opsitaru: Er war zum Zeitpunkt des Aufstieges schon 35 und der Oldie im Team. Als rumänischer Nationalspieler hatte er von Steaua Bukarest viel Erfahrung mitgebracht: 1985 erzielte er für Rumänien bei der EM in Deutschland 11,9 Punkte pro Partie – und spielte dabei auch gegen spätere NBA-Stars wie Dražen Petrović oder Arvydas Sabonis, die das Turnier prägten. Tübingen konnte Opsitaru nach dem Aufstieg nicht mehr verlassen. 1996 fand er die Liebe zum Golfsport und ist heute Golflehrer beim Golfclub Kressbach. Wie der damalige Manager Kurt Arndt ist auch Opsitaru am Tübinger Institut der Sportwissenschaften angestellt.
Philipp Janovsky: Hätte damals den Namen des "Kampfschweins" verdient gehabt. Denn "Pille" Janovsky war immer mit Leib und Seele dabei – auch noch später als Trainer beim SV 03 Tübingen. Er arbeitet als Abteilungsleiter bei einem führenden Technologie- und Dienstleistungsunternehmen. Von 2013 bis 2016 baute er im rumänischen Cluj ein Werk auf und hatte in dieser Zeit auch Kontakt mit dem dort lebenden ehemaligen SV 03-Mitspieler Robert Reisenbüchler.
Klaus Fischer: War im Aufstiegsjahr Teil der legendären Kelternstraßen-WG mit Adam Reisewitz und Matthias Vohrer. Bis zum Sommer 2015 trainierte der einstige Spielmacher noch die Basketballer des TV Rottenburg. Heute ist er Lehrer an der Kaufmännischen Schule in Nagold – und trifft dort auf seinen ehemaligen Mannschaftskameraden Thomas Unger.
Volker Zürn: Auch er ist den Tübinger Basketballern verbunden geblieben und arbeitet nach wie vor für den Verein, beispielsweise fördert er als Leiter von Basketball-AGs den Nachwuchs. In seiner Freizeit steht er auch mal gerne in Lustnau auf dem Tennisplatz. Kann's aber auch noch mit dem Basketball: Wie 2013, als er den SV 03 bei den Deutschen Meisterschaften der über 40-Jährigen als Topscorer auf den vierten Platz führte.
Martin Schall: Der Mann, der den entscheidenden Wurf versenkte. Er kommt aus einer sportbegeisterten Familie, Schwester Elke stand 2005 auf Platz 29 der Tischtennis-Weltrangliste. Heute ist Martin Schall Konrektor der Geschwister-Scholl-Schule, Partnerschule der Walter Tigers. Dort fördert er große Talente wie Junioren-Nationalspieler Matti Sorgius oder den aktuellen Tübinger Bundesliga-Spieler Jeferson Hiller. Schall steht so in engem Kontakt zu den Tübinger Tigers.
Georg Kämpf: Kam als Nationalspieler nach Tübingen. Für die DBB-Auswahl hatte er zwar nur wenige Einsätze, doch diese Erfahrung war goldwert. 1996 führte er die deutsche Junioren-Nationalmannschaft als Trainer zur EM nach Frankreich. Sein Spieler damals: Dirk Nowitzki. Kämpf gilt in seiner Heimatstadt Bayreuth als Legende, Tübingen führte er als Trainer 1992 und 2004 in die Basketball-Bundesliga. Heute ist der 61-Jährige in der Politik aktiv.
Abstieg nach nur vier Bundesliga-SiegenWenige Glücksmomente
Drei weitere kommen hinzu. Darunter der Heimsieg gegen den Meister Leverkusen. Adam Reisewitz macht damals 22 Punkte. Tübingen gewinnt auch gegen Berlin. Viele Spiele gehen aber knapp verloren. Das Bundesliga-Abenteuer endet mit vier Siegen und der Zweitliga-Rückkehr.
Zweimal gelingt die Bundesliga-RückkehrTübinger Werdegang
2004 dann der dritte Aufstieg: Brian Jones führt das Team nach oben – und Georg Kämpf steigt wieder mit Tübingen auf. Wie 1992. Seither spielen die Walter Tigers Tübingen ununterbrochen in der höchsten deutschen Spielklasse. Doch nur die Helden von 1992 können von sich behaupten, den Klub als erste Spieler nach oben geführt zu haben.
© Schwäbisches Tagblatt Tübingen, April 2017Impressum
Bilder: Klaus Franke, Helmut Maier, Ulrich Metz, Markus Ulmer
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Beachten Sie auch die Sonderseite im Print-Produkt vom 11. April 2017. Weiterverwendung von Inhalten nur mit ausdrücklicher Genehmigung!
Schalls Wurf in Karlsruhe
Seine Spielertrainer-Rolle
Den Aufstieg
Den Standort Tübingen
Seine Zukunft im Basketball
Auszug aus den Trainer-Stationen:
1991 - 1993 SV 03 Tübingen
1998 - 2002 BBC Bayreuth
2003 - 2004 WiredMinds Tübingen
2005 - 2009 FC Bayern München